Eine Klinik des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martini-Klinik

Ich wundere mich über jeden Tag, den ich am Leben bin – und freue mich darüber

Hans Mutschler

Zwei Operationen wegen rezidivierendem Prostatakrebs hatte Hans Mutschler bereits hinter sich. Seit einer radioaktiv markierten Lymphknotenentfernung (der sogenannten PSMA-radioguided surgery oder kurz PSMA-RGS) mit anschließender Bestrahlung vor zehn Jahren ist der Krebs nicht zurückgekehrt.

Wenn Hans Mutschler morgens aufsteht, „geht es erst einmal auf die Matte“, wie er sagt: Im Liegen absolviert er ein zwanzigminütiges Trainingsprogramm für seine Becken- und Rumpfmuskulatur. Geboren 1939, ist er „bodenständig in diesem Haus“, so drückt er es aus. Das Haus im schwäbischen Blaustein im Alb-Donau-Kreis in der Nähe von Ulm, im Stadtteil Bermaringen, hat er vor Jahrzehnten selbst gebaut, für sich und seine Familie, die mittlerweile verstorbene Ehefrau sowie die drei Töchter. Um die Obstbäume im Garten, von denen er verschiedene Apfelsorten sowie Birnen erntet, kümmert er sich immer noch selbst. Zurzeit schreibt der pensionierte Ausbildungsleiter eines Ulmer Industriebetriebs an einer Chronik der 800-jährigen Stadtgeschichte seines Wohnortes.

Im Jahr 2014 stand die PSMA-RGS zunächst nur als offene OP zur Verfügung, da es noch keine Gammasonden für die robotische Chirurgie gab. Im Mai 2018 konnten wir hier in der Martini-Klinik die weltweit erste robotische PSMA-RGS durchführen. Seit 2021 bieten wir diesen Eingriff in der Martini-Klinik in Hamburg in der Routine an.

Prof. Dr. Tobias Maurer

Hans Mutschler ist ein aktiver Mann, auch im hohen Alter noch. Als sich 2009, nur wenige Jahre nach seinem Renteneintritt, Beschwerden beim Urinieren bei ihm zeigten, konsultierte er seinen Hausarzt. Dieser sah jedoch keinen Bedarf für eine weitere Abklärung der Symptome des Rentners, so Mutschler. „Auf eigene Faust und ohne Überweisung bin ich dann zum Urologen gegangen“, erinnert er sich. Der Urologe ließ sofort den PSA-Wert überprüfen – und der lag zu diesem Zeitpunkt bereits bei 27 (ng/ml). Zu Beginn des Jahres 2010 erfolgte in Ulm nach diesem alarmierenden Untersuchungsergebnis umgehend eine Prostatektomie. Im Folgejahr wurde Hans Mutschler außerdem ein anliegender Lymphknoten entfernt. Mit einer Strahlenbehandlung des Beckens sowie mit Hormonspritzen versuchten die Ärzte, die weitere Ausbreitung zu verhindern. Die wiederkehrenden Behandlungen zehrten an den Nerven von Hans Mutschler.

Als sich anderthalb Jahre später trotzdem ein weiterer befallener Lymphknoten im Becken zeigt, wird in der Urologischen Klinik der Technischen Universität München im Klinikum rechts der Isar eine damals neuartige Operationsmethode bei ihm durchgeführt: die PSMA-RGS. Dabei werden mithilfe eines speziellen Kontrastmittels winzige Metastasen markiert, sodass die Operateure betroffene Lymphknoten gezielt aufspüren und entfernen können. Damals konnte der befallene Lymphknoten so erfolgreich entfernt werden. Prof. Dr. Tobias Maurer, der als Oberarzt der Klinik das damals neuartige OP-Verfahren mitentwickelt hatte, wechselte wenige Jahre später in die Martini-Klinik in Hamburg, wo er diese Operationsmethode gleichfalls etablierte.

Nach der PSMA-RGS Anfang 2014, der im Folgejahr noch eine Bestrahlung eines Knochenherdes der Hüfte und eines Lymphknotens folgten, war Hans Mutschler von keinem Rezidiv mehr betroffen. Er lebt schmerzfrei, benötigt nur regelmäßige Intervallvorstellungen bei seinem Urologen. „Seit zehn Jahren habe ich ohne Hormontherapie einen PSA-Wert von null“, sagt er. „Ich wundere mich über jeden Tag, den ich am Leben bin – und freue mich darüber.“ 

„Während normalerweise beim Operieren nur auf die vorher durchgeführte Bildgebung zurückgegriffen werden kann, finden wir mit der PSMA-RGS durch die radioaktive Markierung gezielt Tumorzellen und können sie präzise entfernen. Dass ein Patient nach einer Operation mit anschließender Bestrahlung zehn Jahre lang ohne Hormonbehandlung auskommt, ist ein toller Erfolg“, so Prof. Maurer.

Seit zehn Jahren habe ich ohne Hormontherapie einen PSA-Wert von null

Hans Mutschler

Und der Lebensstil?

Hans Mutschler kocht täglich selbst mit frischem Zutaten, die er teilweise selbst anbaut. „Gemüse steht immer auf dem Speiseplan“, sagt er. Wenn seine Töchter, die im Umland wohnen, zu Besuch kommen, bereitet er einen Sonntagsbraten zu. Gewichtsprobleme treiben ihn nicht um: „Mit rund 80 Kilogramm Körpergewicht bin ich auch im Alter noch schlank.“ Alkohol vermeidet er inzwischen – „höchstens zweimal pro Woche ein halbes Achtele Wein!“ – und zu Gelegenheiten, an denen er früher Bier getrunken hätte, gibt es heute ein alkoholfreies Weizen. 

Seine Lebensqualität beschreibt Hans Mutschler trotz seines fortgeschrittenen Alters als gut. In den vergangenen Jahren hat sich bei ihm eine leichte Inkontinenz entwickelt, dagegen benutzt er Einlagen. „Grundsätzlich komme ich damit gut zurecht“, berichtet er. Weite Autofahrten vermeidet er deswegen inzwischen lieber, die Strecke zu seinem geliebten Wochenendhaus am Bodensee schafft er aber noch. Im nächsten Jahr ist es so weit, dann möchte er im Sommer die Festrede in der Gemeindehalle halten – zur 800-Jahr-Feier seines Heimatortes. „Vollbeschäftigung ist die beste Therapie“, sagt er strahlend.